Eltville, den 04.08.2015
Einen der wichtigsten Prozessschritte in der heutigen Verbindungstechnologie stellt das Löten dar. Lote sind Metalllegierungen, die einen niedrigeren Schmelzpunkt besitzen als die Basismetalle in den Kontaktflächen der Leiterplatte und des Bauteils. Nach dem Aufschmelzen des Lotes bildet dieses einen Kontakt mit diesen Basismetallen. Dazu ist die Zufuhr von Wärme notwendig. Das Lot muss zum Schmelzen gebracht werden und die Basismetalle müssen genügend Wärme aufnehmen, um den Lotfluss zu sichern.
Die Basismetalle und das Lot sind durch Luftsauerstoff und Umwelteinfluss an ihrer Oberfläche anoxidiert. Diese Oxide stören das Schmelzverhalten und den Aufbau der Verbindungsschicht. Um dies zu verhindern, müssen Flussmittel eingesetzt werden. Flussmittel sind Substanzen oder Mischung, die in der Lage sind, Oxide zu Metallen zu reduzieren und die Reoxidation zu verhindern. Die Oberflächen des Basismetalls und des Lots werden metallisch blank. Dieser Zustand kann dank der Flussmittel im Lötprozess beibehalten werden. Das Aufschmelzen und Fließen des Lotes wird deutlich verbessert und die Verbindungszonen können sich gut herausbilden.
Mit der Weiterentwicklung der Elektronik mussten auch die Flussmittel stets angepasst werden. Anfangs waren die Leiterplatten sehr einfach strukturiert und die Leiterbahnenabstände waren zum Teil recht groß. Als Standardlot kam das eutektische ZinnBlei-Lot zum Einsatz. Die Flussmittel besaßen einen hohen Feststoffgehalt um den Lötprozess abzusichern. Der Auftrag erfolgte oft mittels Schaumfluxer. Die Vermeidung von Flussmittelresten hatte keine wesentliche Bedeutung.
Mit zunehmendem Einsatz elektronischer Bauelemente in vielen Bereichen der Industrie wurden die Leiterplatten filigraner und das Sprühfluxen etablierte sich in der Anlagentechnik. Geringere Leiterbahnenabstände rückten die Thematik der Flussmittelrückstände und deren Verhalten auf der fertigen Baugruppe in den Fokus, da diese zu Korrosion, Oxidation und Zerstörung der Lotverbindungen führen konnte. Die Gefahr von Kurzschlüssen durch Flussmittelreste nahm auf Grund der Packungsdichte auf den Leiterplatten enorm zu. Zukünftige Flussmittel mussten bei geringerem Feststoffgehalt dennoch eine sichere Lötung ergeben.
Eine Zäsur in der Elektronikfertigung ergab sich durch das Verwendungsverbot von Blei und anderen gefährliche Stoffen im Zuge der am 01.06.2006 in Kraft tretenden RoHS-Verordnung. Alternative bleifreie Lote schmolzen etwa bei 30-45°C höheren Temperaturen als bleihaltige Lote. Ihr chemisch-physikalisches Verhalten war schwieriger, da diese Lote sehr empfindlich auf das Absenken der Temperatur reagierten. Diese Temperaturabsenkungen konnten teilweise durch die Leiterplatte selber verursacht werden. Damit musste der Lötprozess angepasst werden. Die Lotwellentemperatur wurde um 10-20 °C erhöht und die Vorheizung musste mehr Wärme in die Leiterplatte einbringen, um ein Stocken des Lotflusses zu verhindern. Die Flussmittel mussten diesen Prozessveränderungen entsprechen. Dies bedeutete, dass sie thermisch stabiler werden mussten und auch bei höheren Temperaturen noch aktiv die Oxide lösen und Reoxidation verhindern sollten.
Parallel zur Umstellung auf bleifreie Legierungen wurden die auf der Leiterplatte verbleibenden Flussmittelreste immer kritischer bewertet. Daraus ergaben sich detaillierte Anforderungen an die Flussmittel. Verbleibende Flussmittelreste sollten nur ein geringes Korrosionspotential und einen hohen Oberflächenwiderstand aufweisen. Halogenidgfreie Formulierungen, als L0 nach DIN EN 61 191-1-1 gekennzeichnet, boten die besten Voraussetzungen hierzu.
Schon in der Vorlaufphase zur Bleifrei-Umstellung wurde bei Emil Otto eine neue Flussmittelserie auf Basis synthetischer Harze und einer Zusammenstellung von Aktivatoren entwickelt, die die im bleifreien Prozess geforderten Eigenschaften besaßen. Die GSP-Reihe mit den Produkten „GSP-2533/RX“ und „GSP-2533/RX/OVAP“ wurde auch in der Arbeitsgruppe BFE (bleifreies Löten) für zahlreiche Untersuchungen genutzt und für gut befunden. Diese Produkte fanden schnell den Weg in die Industrie und sind noch heute dort vertreten. Im Zuge der Weiterentwicklung und Verbesserung des Langzeitverhaltens wurde dann ebenfalls auf Basis synthetischen Harzes die Produktgruppe „S-250“ mit den Flussmitteln „S-250/FRO“ zum Sprühfluxen und „S-250/FR“ zum Schaumfluxen entwickelt. Es zeichnet sich durch sehr gute Löteigenschaften und hohe Sauberkeit (Rückstandverhalten) aus und hat sich industriell bestens bewährt. Beide Serien sind halogenfrei und als L0 zu klassifizieren.
Mit der Zunahme von Mischbestückungen, hohen Packungsdichten und immer kleiner werdenden Bauteilen wurden die Prozessleistungen an Lot, Anlagentechnik und Flussmittel weiter vorangetrieben. So ist derzeit eine zunehmende Anwendung von Selektivlötverfahren zu verzeichnen. Dabei tritt die thermische Belastung nur noch in den Teilabschnitten der Leiterplatte auf, die gelötet werden sollen. Die Flussmittelbenetzung ist räumlich eingegrenzt und die Lotzufuhr wird sehr exakt gesteuert. Dieser Prozess erfordert ebenfalls spezielle Flussmittel, um die Kriecheigenschaften optimal auszunutzen und um die möglichen Korrosion auf der Leiterplatte entgegenzutreten. Mit den Selektivlötflussmitteln „RS-4004“, „SD-35“ , „HR/D-110“ stehen speziell auf den Selektivlötprozess ausgerichtete Produkte nach den oben genannten Kriterien bereit.
Das wachsende Umweltbewusstsein und die Fragen der Arbeitssicherheit sind weiter Bereich, die zur Veränderung der Flussmittel betragen. In der Industrie wird überlegt, das bisher klassische Lösemittel Alkohol im Flussmittel abzulösen. Die Alkohole Ethanol und Isopropanol sind Standardlösemittel und können sich schon bei 12°C und vorhandener Zündquelle entzünden. Daraus entstehen erhebliche Gefahren beim Transport und der Handhabung.
Auf Kundenseite müssen die Produktions- und Lagermitarbeiter speziell im Umgang mit diesen Produkten geschult werden und die Unternehmen müssen bei dem Transport und der Lagerung strikte Rahmenbedingungen und Gesetze einhalten. Dies führt zu einem massiven Mehraufwand auf Hersteller- und Kundenseite und somit wiederrum zu erheblichen Mehrkosten. Alternativ wurden daher Flussmittel auf der Lösemittelbasis Wasser entwickelt. Diese sind nicht brennbar, setzen keine FCKW frei, sind in der Handhabung und im Transport absolut unbedenklich und sind inzwischen in der gängigen Elektronikfertigung im Industrieeinsatz. Stellvertretend für diese Gruppe sind die Wasserbasis-Flussmittel „WB-35/SOX/DT“ oder WB-35/EK 1405“. Beim Umstellungsprozess begleiten Emil Otto den Kunden vor Ort an der Anlage.
Die Firma Emil Otto, gegründet 1901 in Magdeburg, beschäftigt sich seit der Gründung mit der Entwicklung und Fertigung von Flussmitten. Waren es anfangs Weichlöt- und Hartlötflussmittel für den metallverarbeitenden Bereich in Industrie und Handwerk, so verschob sich der Schwerpunkt ab den 70-iger Jahren zu den Elektronikflussmitteln. All die zuvor genannten Entwicklungen haben die Produkte von Emil Otto mitgeprägt. Heute kann Emil Otto eine Flussmittelpalette bieten, die im Bereich der alkoholbasierten und wasserbasierten Elektronikflussmittel alle Wellenlötbereiche abdeckt. Darüber hinaus werden spezifische Lösungen für das Selektivlöten, Bügellöten und weitere Sonderfälle angeboten. Flussmittel für die Kabelkonfektionierung und die Litzenverzinnung wurden ebenfalls entwickelt und erfolgreich im Markt eingeführt.